Warum versteht mich keiner – das ist so eine Frage von hochbegabten
Menschen, die mir oft gestellt wird: Warum verstehen die Menschen mich nicht?
Das dachte ich schon, als ich noch ganz klein war. Aber dann gab es einen
Lichtblick: Ich war so zwischen 3 und 4 Jahren und meine Tante – in meiner
zweiten Heimat auf dem Land, im Westerwald – erreichte, dass ich zeitweise zur
Schule gehen durfte.
Ich durfte meine Fragen zwar erst nach dem Unterricht stellen – aber
endlich konnte ich fragen und bekam die richtigen Antworten.
Ein Lichtblick!
Nicht verstanden zu werden – ist für Hochbegabte fast das Schlimmste.
Allerdings nicht für alle Hochbegabte. Denn auch bei Menschen mit einem hohen
IQ gibt es Unterschiede. Große Unterschiede. Sehr große Unterschiede.
Normalerweise erkennen wir ja die Hochbegabten sofort – weil sie
irgendein Merkmal haben, dass ganz außergewöhnlich ist. Aber es gibt auch die
anderen Hochbegabten – die unauffälligen Hochbegabte – wie mich.
Ich erzähle Ihnen jetzt eine Geschichte – vielleicht erkennen Sie sich.
Und vielleicht haben Sie dann Fragen.
Blicken wir erst einmal auf die Typischen – und dann auf eine nicht
typische Hochbegabte:
Es sind die
kleinen Einsteins, die Picassos und die Mozarts. Sie lesen schon mit sechs
Jahren „The New York Times“, korrespondieren mit fünf Jahren in Mandarin und
spielen mit vier Jahren die Spatzenmesse in C-Dur. Später studieren sie dann
bereits mit 14 an einer Uni und werden jüngster Professor oder jüngste
Professorin.
Man kennt sie.
Dann gibt es
noch die anderen.
Ihre Begabung
ist nicht so offensichtlich. Oder: offensichtlich nur für Eingeweihte. Für
Kennerinnen und Kenner. Wahrscheinlich stehen sie nicht in einem Labor. Ob sie
mit dem Pinsel umgehen können? Seien Sie tapfer: Wohl eher nicht so. Ob sie
eine Stradivari zu schätzen wissen? Hm.
Und doch haben
sie ihre Begabung. Erkennbar wie gesagt fast nur für Eingeweihte.
Ein Beispiel:
Ich war Mitglied in einem bekannten Verband, der das Wort „Wirtschaft“ in
seinem Namen trägt. Es ging um ein Thema, das alle Menschen bewegt. Wirklich
alle. Wirklich jeden. Es ging um Politik. Und um den Anlauf zu einem neuen
Gesetz, das für alle Menschen eine Erleichterung sein sollte. Man diskutierte.
Und fragte sich, wie man denn überzeugend argumentieren könnte.
Ich erwähnte
den Gedanken einer Befragung. Sie kennen das: In jeder größeren Stadt stehen diese
Interviewer auf den bekannten Einkaufsstraßen und wollen wissen, welche
Zahnpasta, welches Waschmittel, welche Automarke Sie bevorzugen. Straßeninterviews
nennen wir das. In Köln ist dafür z.B. die Schildergasse bekannt. Ganz zu
Anfang meines Studiums habe ich da auch oft gestanden – und vielleicht sind wir
uns begegnet und ich habe Sie gefragt, welche Marmelade Sie zu Ihrem Frühstück
bevorzugen.
Vielleicht
haben Sie mir geantwortet. Vielleicht waren Sie in Eile – und sind gleich
weiter gezogen. Aber jetzt haben wir vielleicht Zeit für einander. Vielleicht
stellen SIE ja jetzt die Fragen. Nicht auf der Schildergasse – sondern hier per
Mail.
Zurück zur
Marktforschung und zum WIR. Wir, das waren meine Kolleg*innen aus der Marktforschung
und ich. Ich leitete zu jener Zeit ein Institut für Markt- und
Kommunikationsforschung. Unsere Klienten aus der Politik und Wirtschaft waren sehr
bekannt und angesehen und wir waren stolz darauf, für sie forschen zu dürfen.
In meinem
Verband war das alles bekannt.
Ja. Sagte man:
Eine Befragung auf der Straße ist ein überzeugendes Argument. Wir – wer auch
immer „wir“ sein sollte – wir stellen uns auf die Straße und befragen die
Menschen. Und dann geben wir – und das war der Sinn der Sache – das Ergebnis an
den OB der Stadt. Der kann sie prüfen und weiter geben in den Bundestag.
Einer von
meinen Kollegen im Verband meinte dann: Ob wir wohl 50 Menschen dazu bewegen
können, mit uns zu reden?
Wie, sagte ich:
50 Menschen?
Ja. Sagten die
anderen. 50 Menschen wäre eine tolle Sache.
Klar sind 50
Menschen eine tolle Sache. Aber: Wie wollen wir einen OB mit den Stimmen von 50
Menschen motivieren, ein neues Gesetz in den Bundestag zu bringen?
Nach einer
halben Stunde hatte man sich auf 100 Menschen geeinigt. Mit dem Zusatz: Ob wir
das wohl schaffen werden?
Warum so
zaghaft?
Die Jungs und
Mädels, die hier zusammen saßen, waren die Menschen, die täglich über Millionen
(!) entschieden. Ihre Denkweisen waren nicht 100 oder 1.000. Es waren 1.000.000
und mehr! Warum um alles in der Welt so zaghaft?
Mir war klar,
dass ich meine lieben Kolleginnen und Kollegen jetzt schockieren musste. Nicht
weil ich Schocks mag – aber ich musste ihnen schon sagen, wie so etwas in der
Realität funktioniert. Dass man an den verantwortlichen Stellen – sorry – 100 Menschen als Beweis nicht gelten lassen
wird. Man wird schmunzeln und zur Tagesordnung übergehen. Und vielleicht müssen
wir das alles vergessen. Es sei denn, der Mut der Frauen und Männer würde
erwachen.
Noch bevor ich
den Gedanken: „Wie sag‘ ich es das denn jetzt?“ zu einem Satz modellieren
konnte, war es bei mir raus:
1.000 INTERVIEWS!
1.000
Interviews? Der Aufschrei hat den Kölner Dom zum Wanken gebracht.
1.000
Interviews?
Diese
Junior-Ausgaben der Top-Manager*innen benahm sich – als würden sie nicht bis 3
zählen können.
1.000
Interviews?
Das Entsetzen
war groß. Nur unser Präsident war begeistert. Und dann ging das los, was
zumeist losgeht, wenn ein Hochbegabter – eine Hochbegabte – eine Idee und einen
Weg vor Augen hat:
🌟GEHT NICHT!
🌟FUNKTIONIERT
NICHT!
🌟SCHAFFEN WIR
NICHT!
🌟WIR SIND DOCH
NICHT VERRÜCKT!
🌟WER SOLL DAS
DENN ALLES ZAHLEN?
Ich hörte mir
das eine Stunde an, während ich bereits das Konzept schrieb, die Umsetzung des
Konzepts plante und einen Entwurf für den Fragebogen entwarf. Unser Präsident
hatte mich aus den Augenwinkeln beobachtet und rief mich auf – nach vorne zu
kommen und die Einzelheiten zu präsentieren.
Gesagt. Getan.
Wir fanden über
50 Mitglieder aus dem Wirtschafts-Verband, die mitmachten. Manager*innen, die
ich mit meinem Team für diesen Einsatz schulte. Es waren wohl die Interviewer*innen
mit den „höchsten Stundenlöhnen“, die hier und heute ehrenamtlich auf die Straße
gingen und sehr mutig die Menschen nach ihrer Meinung befragten.
Um Mitternacht
hatten wir 1.037 Interviews geschafft. Alle von meinen Forscherkollegen und mir
kontrolliert. Alles perfekt. Es war ein harter Job – aber selten habe ich ein
Team von inzwischen fast 100 „Mitarbeiter*innen“ so begeistert, so
leidenschaftlich arbeiten gesehen.
👄Alles für das
EHRENAMT!
👄Es wurde keine
Geld ausgegeben!
👄Niemand bekam
Geld für diese Arbeit!
Am nächsten
Morgen wurde noch einmal alles kontrolliert. Und dann gingen die Fragebögen ins
Rechenzentrum zur Universität der Stadt. Ich schrieb dazu einen Bericht für die
Präsentation. Mein Team zeigte einen bewundernswerten Einsatz. Und so konnte
ich meiner Assistentin auch nicht die Bitte abschlagen, die Ergebnisse beim OB
präsentieren zu dürfen.
Der OB schien
sehr zufrieden. Und so wanderten unsere Ergebnisse weiter „nach oben“: In den
Deutschen Bundestag.
Und so wurde
aus unserer Idee der Beweis, dass diese 1.000 Menschen diese Verbesserung ihres
Alltags wirklich alle, alle wollten.
Schließlich
wurde aus dem Beweis ein Gesetz in Deutschland, das jedem Menschen den Alltag
etwas besser macht.
Nein, so
faszinierend wie ein Picasso ist dieses Gesetz nicht. Auch nicht so charmant
wie eine Melodie von Mozart.
Aber es
erleichtert seitdem jedem Menschen das Leben.
Und das Tag für
Tag in Deutschland.
Hochbegabte
sind manchmal anders.
Ihre Ergebnisse sind weniger prickelnd – aber sie können die Türen öffnen, die verschlossen waren. Sie können Sachen wieder ans Laufen bringen – an die niemand mehr geglaubt hat. Und: Sie können in der Krise ein Lächeln aufs Gesicht zaubern.
Wenn Sie hochbegabt sind und Fragen haben: Mailen Sie mir bitte Ihre Fragen: lillicremeraltgeld@t-online.de
Wenn Sie –
vielleicht - hochbegabt sind und Fragen haben: Mailen Sie mir bitte Ihre
Fragen: lillicremeraltgeld@t-online.de
Danke.
Ich freue mich
auf Sie.
Echt jetzt!
Herzlichst,
Ihre
Lilli Cremer-Altgeld
lillicremeraltgeld@t-online.de